Seit Oktober lässt Olaf Schmidt Bart und Haare sprießen. Die Kunden des Versicherungsvertreters kennen das schon. „Na, ist es wieder soweit? Spielen Sie wieder den Petrus?“, wird Olaf Schmidt in diesen Tagen häufig gefragt.
Wie bei der Premiere der Lippetaler Passionsspiele im Jahr 2014 und bei der zweiten Auflage 2015 wird er auch in diesem Jahr in der Hovestädter Albertus-Kirche als Darsteller des Apostels auf der Bühne stehen. Dann werde er wieder Gänsehaut von Anfang bis Ende jeder Vorstellung haben, beschreibt der 59-Jährige, der in Lohne zuhause ist, seine Gefühle, wenn er das Petrus-Gewand überstreift. „Man muss die Rolle leben, sich total hineinversetzen, sonst kommt sie nicht rüber“, sagt der Sänger und Pressewart des Sassendorfer Bördechors.
Eigentlich hatte er bei der Vorbereitung der ersten Passionsspiele gar nicht vor, eine so tragende Rolle zu übernehmen. „Unser damaliger Chorleiter Markus Loesmann, der auch musikalischer Leiter der Passionsspiele ist, fragte mich, ob ich bei dem Projekt mitmachen möchte. Ich sagte zu und dachte daran, vielleicht einen Römer zu spielen, der an der Ecke der Bühne steht. Als Regisseur Ingo Euler mich sah, rief er: Du bist der Petrus. Und schon hatte ich eine große Rolle“, erinnert sich Schmidt.
In der Folgezeit kam so einiges auf Schmidt zu. „Die Familie, mit der ich natürlich über die Rolle gesprochen habe, war begeistert. Meine Frau Heide und die drei Söhne haben mich immer unterstützt. Anders wäre mein Einsatz bei den Passionsspielen auch nicht möglich gewesen“, erzählt er. Lediglich in der heißen Probenphase kam es schon mal zu kleinen Reibereien, wenn „Petrus“ Vorrang vor anderen Dingen hatte. Letztendlich waren aber alle auf ihr schauspielerndes Familienoberhaupt stolz. „Ich fand es ganz toll. Er kann es“, erzählt der jüngste Sohn Alexander (27), der noch zuhause wohnt und miterlebt habt, wie sein Vater sich für seine Auftritte auf der Bühne vorbereitet hat. „Das Lernen der Texte war quer durchs ganze Haus zu hören.“
"Das Publikum hat zum Glück nichts bemerkt"
Anders sei es auch nicht möglich. „Nur hinsetzen und den Text lernen, ging gar nicht. Ich musste mich bewegen, mal laut, mal leise, mal schüchtern, mal aggressiv sprechen, je nachdem wie es die Szene verlangt“, schildert Schmidt. Es ist nicht gerade wenig Text, der auswendig gelernt werden muss. Die Fischerszene, die Szene in der Petrus Jesus verleugnet und viele andere Einsätze im Zuge der Sprechrollen verlangten stramme Konzentration. „Heute bin ich so routiniert, dass ich den Wortlaut im Schlaf beherrsche.“ Nur ein einziges Mal sei ihm eine Textpassage nicht eingefallen. „Ich konnte die Szene aber durch Improvisation retten, das Publikum hat zum Glück nichts davon bemerkt.“ Es ist eine große Leistung die die rund 100 Darsteller auf der Bühne vollbringen.
Olaf Schmidt ist stolz darauf, dazuzugehören. „Ich möchte die Erfahrung, diese Rolle zu spielen und zu der Gemeinschaft zu gehören, in meinem Leben nicht missen.“ Nicht nur das Publikum, auch die Darsteller gehen durch ein tiefes Tal der Emotionen ob der biblischen Geschichte. „Während der Szene des letzten Abendmahls müssen wir ganz still sitzen, nur Jesus bewegt sich, geht um uns herum, berührt mich und sagt die Verleugnung voraus. Dabei habe ich jedes Mal Gänsehaut“, erzählt Schmidt. „Erst wenn das Spiel vorbei ist, bin ich erleichtert. Es ist geschafft, hat gut geklappt, ich bin froh“, schildert der Petrus-Darsteller ein langsames Aufbrechen der Anspannung.
Nach der letzten Vorführung soll der prachtvolle Wuchs an Haupt und Kinn übrigens mit dem Rasierapparat wieder rasch gestutzt werden. Dann wird aus „Petrus“ wieder der Versicherungsvertreter Schmidt.